Der 01.08.2013 naht und noch immer sind bei den Betroffenen viele Fragen um den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz offen oder unklar.
Ab dem 01.08.2013 gilt der neue Rechtsanspruch für die Kinderbetreuung. Der Anspruch ist in § 24 SGB VIII geregelt. Ganz gleich, ob in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen: nicht alle Bundesländer haben ihr Hausaufgaben erfüllt. Es sind erhebliche Engpässe bei der Durchsetzung des Ganztagsanspruchs zu erwarten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:
1. Welche Kinder werden vom neuen Betreuungsanspruch im Kindergarten erfasst
Ü3-Kinder: Jedes Kind im Alter ab 3 Jahren hat ohne weiteres einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Tageseinrichtung bis zum Schuleintritt. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
Ü1-Kinder: Ein Kind im Alter zwischen 1-3 Jahren hat einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Umfang der täglichen Förderung richtet sich nach dem individuellem Bedarf.
U1-Kinder: Ein Kind, dass das 1. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege nur zu fördern, wenn diese Leistung für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder die Erziehungsberechtigten
a) einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind,
b) sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder
c) Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
2. Wer ist der Anspruchsinhaber? Anspruchsinhaber des Rechtsanspruchs auf Verschaffung eines Platzes in einer Tageseinrichtung ist das minderjährige Kind, vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter.
3. Wer ist der Anspruchsgegner? Anspruchsgegner sind zwingend die Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
4. Haben auch behinderte Kinder einen Rechtsanspruch auf den Kita-Platz? Ist die Tageseinrichtung zu einer Bedarfsdeckung, die ausschließlich in der individuellen Behinderung liegen, nicht in der Lage, so hat das behinderte Kind nach § 35a oder § 53 SGB XII Anspruch auf den Besuch einer bedarfsdeckenden Einrichtung. Es gilt allerdings der Vorrang der Sozialhilfe gemäß § 10 Abs. 4 SGB VIII. Danach sind Maßnahmen der Eingliederungshilfe für junge Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder einer drohenden entsprechenden Behinderung vorrangig gegenüber Leistungen des SGB VIII. Dieser Vorrang besteht jedoch nicht für seelisch behinderte Kinder.
5. Worauf erstreckt sich der Inhalt des Betreuungsanspruchs? Der Rechtsanspruch ist auf Bereitstellung eines Platzes in einer Tageseinrichtung aus einem bedarfsgerechten Angebot gerichtet. Bedarfsgerecht ist das Angebot nur dann, wenn das von den Erziehungsberechtigten bevorzugte Erziehungsmodell verwirklicht wird. Dies folgt aus dem durch § 5 SGB VIII garantierten Wunsch- und Wahlrecht.
6. Wie weit darf die räumliche Entfernung der Einrichtung sein? Der Betreuungsanspruch beschränkt sich nicht auf die in Wohnnähe bestehenden Einrichtungen. Vielmehr kann auch eine Einrichtung im Bereich eines anderen örtlich zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gewählt werden, etwa weil diese sich in Arbeitsplatznähe des Erziehungsberechtigten befindet oder ein besonderes pädagogisches Konzept verfolgt. Eine Grenz besteht nur dort, wo durch die Inanspruchnahme einer auswärtigen Tageseinrichtung unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen.
7. Wie hoch ist die Mindestbetreuungszeit? Dies wir in der juristischen Literatur unterschiedlich beantwortet. Es ist aber von einer Mindestbetreuungszeit von täglich 6 Stunden auszugehen. Weitere Einzelheiten müssen die Gerichte klären.
8. Kann der Betreuungsanspruch durch Dritte erfüllt werden? Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe können sich zur Gewährleistung des Rechtsanspruchs auf einen Platz in einer Tageseinrichtung sowohl eigener Einrichtungen als auch Einrichtungen in anderer Trägerschaft bedienen. Der gesetzlich normierte Anspruch des Kindes ist somit gerichtet auf die Bereitstellung oder Verschaffung eines Platzes in einer eigenen Tageseinrichtung oder einer solchen eines anderen Trägers.
9. Was ist mit freien Trägern? Die Inanspruchnahme einer Tageseinrichtung eines freien Trägers durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist allerdings nur erlaubt, wenn mit dieser eine sog. Leistungssicherstellungsvereinbarung geschlossen wurde. Solche Vereinbarungen sind aber nicht erzwingbar.
10. Was ist, wenn der Betreuungsanspruch nicht durchsetzbar ist? Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe kann verpflichtet werden, die vorübergehende Überbelegung einer bestehenden Betreuungsgruppe in Kauf zu nehmen. Sind die Kapazitäten erschöpft – wird der Betreuungsanspruch also nicht erfüllt – steht unter bestimmten Voraussetzungen ein Aufwendungs- bzw. Schadensersatzanspruch zu.
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