SCHULRECHT | Schulordnungsmaßnahme bei krankheitsbedingtem Hintergrund

Borsbach & Herz | KANZLEI FÜR BILDUNGSRECHT

Eine von der Klassenkonferenz angeordnete Schulordnungsmaßnahme gegen einen Schüler muss nicht in jedem Fall hingenommen werden – besonders dann nicht, wenn der begründete Verdacht auf Abwägungsfehler besteht.

Immer wieder melden sich besorgte Eltern in unserer Kanzlei, die Fragen zu einer angeordneten Schulordnungsmaßnahme stellen. Oft handelt es sich dabei für ihr schulpflichtiges Kind um einen zeitweisen Ausschluss vom Unterricht. Wir können regelmäßig bei der richtigen Einschätzung des Konflikts helfen und gegebenenfalls eine anwaltliche Vertretung übernehmen.

Zum Hintergrund dieses Themas sollte man wissen, dass bei Schulkonflikten in den Schulgesetzen der Länder zwei Arten von Maßnahmen präsentiert werden:

„Erziehungsmaßnahmen“ sollen zu einer Verhaltensänderung des betreffenden Schülers führen. Dazu gehören unter anderem Ermahnung, Gespräch, Klassenbucheintrag oder Nachsitzen. Durch ihren pädagogischen Charakter stellen sie in der Regel keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Schülers dar, Widerspruch und Anfechtungsklage als Rechtsbehelfe sind nur dann sinnvoll, wenn der Verdacht auf Willkür besteht.

„Ordnungsmaßnahmen“ sollen bei schweren Verstößen gegen die Schulordnung greifen. Ziel ist es, ein geordnetes Lernumfeld aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen und beteiligte Personen und Sachen zu schützen.

Unterliegen die Erziehungsmaßnahmen weitgehend dem verantwortlichen pädagogischen Ermessen der jeweiligen Lehrkräfte, sind die Ordnungsmaßnahmen hingegen „abschließend normiert“. Das bedeutet, dass die Schule nur die im Gesetz genannten Maßnahmen ergreifen darf. Dennoch gibt es auch hier einen Ermessensspielraum. Etwaige Abwägungsfehler machen sich wegen der Schwere der möglichen Sanktionen besonders bemerkbar. Widerspruch und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Sofortvollzug der Maßnahme sind hier im Zweifelsfall die Mittel der Wahl.

In einem uns vorliegenden Fall hatten die Eltern eines Schülers einer 2. Klasse diese Rechtsmittel ergriffen. Anlass war der Beschluss der Klassenkonferenz, den betreffenden Schüler für einen Monat vom Unterricht auszuschließen – nachdem seine Klassenlehrerin ihn schon per Eilmaßnahme für drei Tage suspendiert hatte.

Die Gründe für den Ausschluss erschienen schwerwiegend: So hatte er in den vergangenen drei Monaten bei mehreren Gelegenheiten Lehrer gebissen, gekniffen und getreten, Schüler geschlagen, geschrien, Stühle umgekippt und mit Gegenständen um sich geworfen. Die Schule sah in diesem Verhalten ein Sicherheitsrisiko für Schüler und Lehrer und eine erhebliche Beeinträchtigung des Schulbetriebs. Der Unterricht in der Klasse sei zeitweise nicht mehr möglich gewesen.

Für die Eltern des „Störenfrieds“ war die beschlossene Ordnungsmaßnahme unverhältnismäßig. Sie monierten, dass die Schule im Vorfeld des Beschlusses weder besondere Erziehungsmittel angewandt noch andere, angemessenere Ordnungsmaßnahmen getroffen habe. Eine konkrete Analyse und Diagnose der Situation habe nicht stattgefunden, am runden Tisch erörterte Hilfemaßnahmen seien nicht angewendet worden. Zudem wäre aufgrund der Häufung der Vorfälle im Mathematikunterricht ein Ausschluss vom Unterricht in nur diesem Fach ausreichend gewesen. Die schriftliche Anordnung des Vollzugs der Suspendierung habe zudem keinen Bezug zum vorliegenden Einzelfall und sei deshalb nicht ausreichend.

Ergebnis: Der Antrag der Eltern auf vorläufigen Rechtsschutz wurde vom zuständigen Verwaltungsgericht abgelehnt. Das hatte mehrere Ursachen, die aber, positiv gewendet, in ähnlichen Fällen durchaus zum Erfolg eines Widerspruchs führen können:

Die Eltern des Schülers hatten die formal auch genutzte Gelegenheit, sich auf der entscheidenden Klassenkoferenz zum Sachverhalt zu äußern. Spätestens hier hätten sie stichhaltige Dokumente vorlegen können, die belegen konnten, dass sich ihr Sohn krankheitsbedingt derart aggressiv verhalten habe. Eine nachgewiesene, störungsbedingte Belastung des Schülers hätte zu einer grundlegend anderen Entscheidung führen können. Die zum genannten runden Tisch geladene Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie hätte über die Ankündigung der Teilnahme des Schülers an einer Gruppentherapie hinaus eine detaillierte und dokumentierte Diagnose liefern können. Die bloße Behauptung einer Hochbegabung reichte nicht aus. Wenn die Eltern das Verhalten ihres Jungen als eine “gesunde psychische Reaktion” auf eine traumatisch erlebte “andauernde Ansprache durch Lehrkräfte sowie die teilweise physischen Übergriffe” erklären und begründen wollten, hätten sie Ansprache und Übergriffe „substantiiert“, das heißt inhaltlich und im Einzelnen begründen müssen. Demgegenüber konnten Lehrkräfte und Klassenkameraden konkrete Situationen schildern, in denen ihr Schüler und Mitschüler auf alltägliche Vorgänge mit Wutausbrüchen und Gewalt gegen andere und auch gegen sich selbst reagierte.

Dass der Ausschluss vom Unterricht nicht in erster Linie als „Bestrafung“ zu sehen ist, sondern den geordneten Schulbetrieb aufrechterhalten soll, wird die Eltern kaum trösten. Das Schulgesetz sieht in diesem Fall die „ Feststellung eines Bedarfs an sonderpädagogischer Unterstützung“ vor. Ein Fördergutachten und die Empfehlungen der Förderkommission können unter Mitwirkung der Eltern dann den sonderpädagogischen Förderbedarf bestimmen. Das alles ist auch ohne vorherige Suspendierung möglich. Wenn alle Parteien an einem Strang ziehen und konkret und ohne Vorbehalte das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellen, kann die Anordnung so mancher Ordnungsmaßnahme verhindert werden.

Wenn auch Sie für Ihr Kind das Verhängen einer Ordnungsmaßnahme befürchten müssen oder ein entsprechender Beschluss bereits gefasst wurden, helfen wir Ihnen gern weiter. Gemeinsam beurteilen wir die individuelle Situation im schulischen Kontext und finden die angemessenen Rechtsmittel, um insbesondere einen Ausschluss vom Unterricht zu verhindern.

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